YOUNG DYNAMIC CONTEMPORARY
WHITE CUBE
Georg Eger
Seontae Hwang
Miye Lee
Catarina Lira Pereira
Katy Stone
opening 6 December 6 – 8 pm
duration 27 January 2012
White8 zeigt fünf Positionen junger Kunst aus vier verschiedenen Kulturkreisen, die aktuelle und zugleich zeitlose Themen behandeln: das Spannungsverhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft, zwischen Mensch und Natur, zwischen Erinnerung und Gegenwärtigkeit. Die fünf präsentierten KünstlerInnen haben jeweils eigenständige Ausdrucksmöglichkeiten entwickelt, um ihre Intentionen bildnerisch zu formulieren – und bedienen sich dabei alle künstlerischer Medien, welche die Grenzen zwischen Malerei, Fotografie, Plastik und Zeichnung überschreiten.
Catarina Lira Pereira – sie stammt aus Frankreich und lebt in Portugal – geht in ihrer Malerei der Frage nach der eigenen Vergangenheit und ihrer Erinnerbarkeit in Relation zu dem von außen wahrgenommenen Bild unseres Ichs nach. Die von ihr dargestellten Figuren und Szenen erscheinen „realistisch“ wie zugleich auch transformiert in ein anderes Medium, das zwischen Cartoon und digitaler Bildsprache angesiedelt sein könnte. Dreidimensional wirkende, an Ausdrucksformen der Pop Art erinnernden Figurationen überlagert sie in ihren farbintensiven Acrylbildern (es gibt von ihr auch flächig-silhouettenhafte Schwarzweiß-Arbeiten) mit einer Ebene vertikal fallender „Vorhang“-Streifen. Dadurch ergibt sich für die Betrachter ein fragmentarischer – und immer spekulativer – Blick auf ein plastisches Szenario, das sich hinter einer flächig erscheinenden Bild-Struktur abspielt. Indem Pereira das, was „Wirklichkeit“ sein könnte, zugleich ver- und enthüllt, dabei mit realistischen sowie reduziert-abstrahierten, zwei- und dreidimensionalen Mitteln simultan arbeitet, vermag sie ein Bild des Menschen unserer Zeit zu erzeugen, das immer zwiespältig zwischen innerer und äußerer Repräsentation changiert.
Georg Eger behandelt das Thema der Identität, indem er das Subjekt anonymisiert: in seinen fotografischen Stadtlandschaften taucht – einsam zumeist – ein Mensch auf, der als dunkelgrau-monochrom gemalte Silhouette in Erscheinung tritt. Ein „Somebody“ (so lautet der Titel der jüngsten Bild-Serie des aus Tirol stammenden Künstlers) ist dieser Mensch, der zwar in seinem Umfeld steht, durch seine Unbelichtetheit aber als Fremdkörper und jedenfalls nicht als identifizierbares Individuum wirkt. Weit entfernt ist dieser „Somebody“ etwa von der auch je einsamen Figur in den Bildern der Romantik, welche zwischen Betrachtern und Szenario eine Mittlerrolle einnimmt, um erstere dem großen Wunder der Naturerscheinung näher zu bringen. Vielmehr hat, wie der Künstler sagt, seineThematisierung des anonymen Menschen „einen Bezug zu unserer reellen Welt der menschlichen Isolation, wie sie insbesondere im urbanen Umfeld größere Bedeutung hat“.
Miye Lee – die als gebürtige Südkoreanerin in Österreich lebt – bedient sich einer gestisch-abstrakten, durchaus farbintensiven Bildsprache, um ihrerseits den Mensch in seiner Position zwischen Individuum und Teil des gesellschaftlichen Kollektivs zu thematisieren. Lees emotional vor hellen Grund gesetzte Farbkürzel sind Abstraktionen vorangegangener (zeichnerisch-präziser) Menschendarstellungen, zu denen Brigitte Herberstein einst schrieb: „Die Künstlerin begreift es als Schicksal des menschlichen Individuums, dass dieses als Bestandteil einer Masse selbst nur mehr anonym in Erscheinung tritt.“ In ihrer aktuellen vitalen Malerei hingegen scheint weniger die Isolation des Subjekts im Vordergrund zu stehen als die Vision eines „spannungsvollen aber doch harmonischen Gleichgewichts“ zwischen dem Einzelnen und der „Masse“.
Für Seontae Hwang – der aus Südkorea stammt und nach Studien in Seoul, Berlin und Halle wieder in seiner Heimat arbeitet – haben die belebte und die unbelebte Natur „das gleiche Recht auf Ehrerbietung durch den Menschen, der sein Streben danach ausrichten sollte, die höchste Stufe in der geforderten Ethik zu erreichen“. Jedes materielle – so auch artifizielle – Objekt hat daher seine eigene Geschichte, sein eigenes Wesen, das wir über eine mehransichtige Betrachtungsweise zu erfassen vermögen. Um diese zu evozieren, bedient sich der Künstler einer Kombination aus Präzision (des Kunst-Objekts bzw. auch eines ihm inhärenten Textes) und Unschärfe (der Darstellung). So schafft er z.B. Buchobjekte aus Glas, die zwar Texte enthalten, die aber nicht wie ein Codex zu händeln sind (in dem wir blättern könnten) – der Inhalt solcher Bücher dechiffriert sich allenfalls bei genauem und tiefem Hineinsehen. Mit den Worten des Künstlers ist ein solches Buch„transparent, glasklar, wahrhaftig, einsichtig bis zur Durchsichtigkeit und zerbrechlich einmalig wie wir“.
Katy Stone – sie lebt und arbeitet in den USA – bemalt zunächst von der Botanik und Biologie inspirierte Motive in Acryl auf papierne Kunststofffolien, die sie sodann ausschneidet und in oft mehreren übereinanderliegenden Schichten auf die Wand pinnt, wobei der Schatten auf der Wand Teil der Arbeit ist. Ihre Objekte reflektieren, wie sie selbst sagt, die Kraft des Wachstums und des Generativen der Natur. Ihre Intention ist eine Kunstform zu schaffen, die wie ein poetisches Äquivalent des Lebens, das uns umgibt, „funktioniert“. Ihre (im öffentlichen Raum) oft großformatigen Wandinstallationen gestatten wohl Referenzen an Vorbilder und Vorgänge der Natur, es geht ihr aber vor allem um eine Darstellung der Vielfalt des Lebens auf nicht zuletzt assoziativer Basis: „Shapes and configurations suggest a range of associations: landscape, wind, crystals, gems, mountains, heaps, grasses, knives, chrysanthemums, explosions, scratches, insects, fungus, seepage …”
Lucas Gehrmann